Beim hier gezeigten Bild, handelt es sich um die elliptische Riesengalaxie MV9608.
Ein Modell der Galaxienentstehung geht davon aus, dass sich die ersten Gaswolken durch Rotation zu Spiralgalaxien entwickelt haben. Elliptische Galaxien entstanden nach diesem Modell erst in einem zweiten Stadium durch die Kollision von Spiralgalaxien. Spiralgalaxien wiederum können nach dieser Vorstellung dadurch anwachsen, dass nahe Zwerg-Galaxien in ihre Scheibe stürzen und sich dort auflösen. Viele Spiralgalaxien enthalten einen Balken, der quer durch den Innenbereich verläuft. Vermutlich ist der Balken ein vorübergehendes Phänomen im Leben einer Spiralgalaxie: Die Balkenstruktur zerfällt im Lauf der Zeit, sodass eine normale Spiralgalaxie übrigbleibt.
Mit einer Entfernung von rund 4,8 Milliarden Lichtjahren erfordert die hier gezeigte Galaxie die grössten Teleskope, um sie richtig zu untersuchen. Doch wir benötigen nicht nur die grössten Fernrohre, sondern auch die empfindlichsten Instrumente. Diese Galaxie wurde mit dem Hubble-Weltraumteleskop und den vier 8,2-Meter-Fernrohren des Very Large Telescope (VLT) am European Southern Observatory (ESO) in der nordchilenischen Atacama-Wüste gemacht, sowie dem Spitzer-Weltraumteleskop, dem Galaxy Evolution Explorer (GALEX) aber auch mit dem japanischen 8,2-Meter-Subaru-Teleskop auf dem Gipfel des Mauna Kea, Hawaii. Die Daten bei anderen Wellenlängen wurden mit verschiedenen Satelliten gewonnen, darunter dem Herschel-Weltraumteleskop, dem Compton Gamma Ray Observatory und dem Chandra X-Ray Observatory. Die riesigen Fernrohre erfassen Licht, das oft Jahrmilliarden zu uns unterwegs war. Das Licht dieser Galaxie hatte diese sogar verlassen, bevor unser Heimatplanet entstand. Die Daten im sichtbaren Licht wurde 2018 mittels der Wide Field and Planetary Camera 2 (WFPC2) des Hubble-Weltraumteleskops aufgenommen. Bei dieser Darstellung handelt es sich um eine Überlagerung aus Daten des Hubble-Weltraumteleskops im sichtbaren Licht (gelb-weiss), aus Daten des Spitzer-Weltraumteleskops im Infraroten (rot) und aus Daten des Galaxy Evolution Explorer (GALEX) der NASA im Ultravioletten (blau).
Die hier gezeigte Galaxie erstreckt sich über etwa 700 000 Lichtjahre im Durchmesser. Darin sind dunkle Wolken aus Gas und Staub zu erkennen, die sich über die Hauptwolken aus Molekülen erheben. Diese wird durch die Emissionen ionisierten Gases in den dünneren Teilen der Wolken erleuchtet. Dabei ist die hochenergetische ultraviolette Strahlung für die Ionisierung verantwortlich. Sie zerfrisst gleichzeitig die Oberfläche der dichten Molekülwolken. Bei den sichtbaren Wellenlängen wird die intensive Sternentstehung grösstenteils durch Staub im Innenbereich der Galaxie verdeckt. Die wahre Natur von MV9608 erkennen wir daher nur, wenn wir sie bei verschiedenen Wellenlängen untersuchen. Denn im Nahinfrarot ist es möglich, den Staub zum Teil zu durchdringen und so Sternentstehungsregionen zu sehen, die im sichtbaren Licht verborgen bleiben. Beispielsweise zeigt dieses Bild zum ersten Mal Röntgenemissionen von jungen Sternen, deren Massen mit der der Sonne vergleichbar sind, ausserhalb unserer Heimatgalaxie. Die vom Spitzer- Weltraumteleskop aufgenommenen Infrarotemissionen dokumentieren die Anwesenheit grosser Staubmengen, die mit dem Gas verbunden sind. Sie liefern das Material für neue Phasen der Sternentstehung. Tatsächlich findet man einige der aktivsten Sternentstehungsregionen auf der linken Seite der Galaxie. Dieses Sternentstehungsgebiet hat fast 1500 Lichtjahre Durchmesser; in ihm konnten mehr als 200 heisse, junge Sterne gezählt werden, deren Massen von 15 Sonnenmassen bis über 60 Sonnenmassen reichen. UV-Licht wird von den heissesten, jüngsten Sternen abgestrahlt; ältere Sterne stehen im Zentralbereich dieser Region.
Die Emissionen von Staub befinden sich entlang der Spiralarme und zeigen an, wo sich künftig Sterne bilden werden. Die Infrarotemissionen stammen von Staub, die Röntgenemissionen hauptsächlich von schnellen Elektronen. Eine der bemerkenswerten Entdeckungen in dieser Galaxie waren Wolken aus molekularem Wasserstoffgas, die sich mit hoher Geschwindigkeit bewegen. Bei diesen Hochgeschwindigkeitswolken (engl.: high velocity clouds, HVC) wurden Geschwindigkeiten von mehr als 70- 90 Kilometer pro Sekunde gemessen. Sie können mehr als eine Million Sonnenmassen enthalten. Neben den dunklen Staubbändern und älteren Sternen, die orange erscheinen, können wir leicht grosse, rote Flecken entlang der Spiralarme sehen. Dabei handelt es sich um riesige HII-Regionen, Bereiche intensiver Sternentstehung, in denen heisse, massereiche, junge Sterne das Wasserstoffgas in der Umgebung ionisieren. Der Ultraviolettsatellit Galaxy Evolution Explorer (GALEX) der NASA hat auf diesem Kompositbild junge, heisse, sehr massereiche Sterne nachgewiesen, die blau dargestellt sind, sowie relativ alte Sterne, in grün.Die grünen Flecken sind die Infrarotstrahlung eines Sternenhaufens am Rand dieser Galaxie. Der zentrale gelbe Fleck steht für eine Population alter Sterne. Dunkelrote Bereiche zeigen an, wo das Spitzer-Infrarotteleskop kühle, staubhaltige Sternenstehungsgebiete fand. Die Daten des Chandra X-Ray Observatory sind Pink dargestellt. Sie zeigen Emissionen von Gas, das mehrere Millionen Kelvin heiss ist.
MV9608 ist eine Spiralgalaxie, die wir von der Seite sehen. Wir sehen eine sonderbare Galaxie, deren Erscheinungsbild verzerrt ist, weil ihr Licht an näheren Vordergrundgalaxien vorbei muss. Diese sogenannte Gravitationslinse wurde schon früher vorhergesagt, jedoch erst in jüngerer Zeit entdeckt. Das Aussehen von MV9608 hat Astronomen für lange Zeit irritiert. Zwar ähnelt die Galaxie weitgehend einer klassischen Ellipse, das auffällige Staubband legt jedoch nahe, dass hier zwei kleinere Galaxien miteinander verschmolzen sind. Vermutlich haben viele Galaxien- auch unsere Milchstrasse- irgendwann in ihrer Geschichte Verschmelzungen erlebt. Dennoch mag es vielleicht überraschen, dass es nicht die Sterne der Galaxien sind, die dabei zusammenstossen. Ihre geringe Grösse und die weiten Abstände untereinander machen ein solches Szenario sehr unwahrscheinlich. Jedoch befindet sich im Raum zwischen den Sternen Gas und Staub. Wenn dieses Gas der beiden Galaxien hingegen miteinander kollidiert, kommt es zu einem gewaltigen Sternentstehungsausbruch.
Textcollage: Andreas Gerber
Text aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Galaxie
Rhodri Evans, Juwelen des Universums, Die spektakulärsten Bilder aus dem All.
2016, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart.