Wo befindet sich eine Verkehrstafel „Ende Hauptstrasse“?
Eine Verkehrstafel „Ende Hauptstrasse“ befindet sich immer dort, wo eine Hauptstrasse endet. Das Signal „Ende Hauptstrasse“ zeigt das Ende einer Hauptstrasse an, der weitere Verlauf ist als Nebenstrasse deklariert.
Flaches Bild
Warum sind die Menschen derart begeistert von der flachen Fläche?
Alles möchten sie möglichst als flache Flächen haben: Strasse, Trottoir, Stadtplatz, Flugplatz, Schreipapier, Notenpapier, Reisbrett, Herdplatte, Schallplatte, CD, Wand, Fussboden, Fensterglas, Tisch, Terrasse, Serviertablett, Decke, Parkplatz, Handydisplay, Creditkarte, Treppenstufe, Schleifpapier, Buchseite, Zifferblatt, Türe und so weiter und so fort…. …
Ich nehme an, dass die flache Fläche für die menschlichen Bewegungsabläufe, teils auch in Zusammenhang mit der Erdgravitation von entscheidender Bedeutung ist.
Gut. Aber warum sind die Menschen dann auch noch derart verliebt in ihre Projektionen auf die flache Fläche? Es scheint einem dringenden Bedürfdnis zu entspringen, anhand der Zerrbilder, welche sich aus dem einseitigen menschlichen Sehen ergeben, persönliche Ansichten zu kommunizieren. Damit ist oft auch die Absicht verbunden, mehr oder weniger Macht auf die Mitmenschen ausüben zu können. Das menschgemachte, sogenannte zweidimensionale Bild wird heutzutage tagtäglich, in einer unermesslich grossen Menge von Bildern auf eine flache Fläche wie fotografierte Bilder, gezeichnete Bilder, gemalte Bilder, Filme auf Leinwand, Bildschirme, Handydisplays, Wandtafeln, Papierblätter, Pinnbretter, Spiegel u.sw. produziert und reproduziert. Dazu zählen wir auch die abstrakten Bilder wie Pläne, schematische Bilder, Texte aller Art und Zahlen, stilisierte Bilder, zusammengesetzte Bilder, manipulierte, zensierte, also absichtlich veränderte Bilder, durch Umwelteinflüsse oder unkontrolliert entstandene oder veränderte Bilder.
Frontale Ansicht
Meine Version „Ende Hauptstrasse“ ist als Körper ganz offensichtlich nicht flach.
Ich behaupte, dass unser normales Verständnis einer Bildbetrachtung immer die ist, ein Bild direkt vor uns und vorallem frontal zu betrachten. Die meisten Bilder betrachten wir zudem in aufrechter Position. Es ist möglich, das Relief an die Wand zu hängen. Dadurch können wir das Bild „Ende Hauptstrasse“ in aufrechter Position und vorallem frontal betrachten. Frontal betrachtet, sehen wir das Zeichen „Ende Hauptstrasse“ vollständig, ohne Lücken und Überschneidungen. Das Bild sehen wir nahezu gleich, wie auf flacher Fläche dargestellt. Sobald wir die frontale Position verlassen, zeigen sich Lücken und Überschneidungen.
Tendenz zum Krummen
Damit sich die Fläche nicht durch die Temperatur- und Wettereinflüsse verbiegt, werden die Strassenschilder aus entsprechend standfestem Material hergestellt. Wenn wir ein Schild auch als Bild sehen wollen, dann gibt es eine bereits sehr alte Geschichte zum Thema „flacher Bildgrund“ und der damit einhergehenden Schwierigkeit, diesen flachen Bildgrund auch über lange Zeit stabil zu halten. Oder anders gesagt, die flache Oberfäche konservieren zu können. Denn praktisch jedes Material hat die Tendenz, sich nicht zu strecken und gerade zu halten, sondern sich zu verkrümmen. Verbogen kann ein Schild aus verschiedenen Gründen werden: Wie gesagt, durch Temperatureinflüsse, aber auch durch das Aufprallen oder Streifen von Fahrzeugen, durch umfallende Bäume oder herabfallende Steine, oder willentlich, durch eine Person. Abgesehen von verschiedenen optischen Phänomenen, dass wir unter Umständen leicht krumme Linien als gerade empfinden und umgekehrt, fasziniert mich die Möglichkeit, auf eine „verbogene“ Oberfäche mittels einer Anamorphose ein „flaches“ Bild zu projizieren. Ich konstruiere also aus altem Verpackungsmaterial eine „verbogene Fäche“. Damit sie sich nicht noch weiter in irgend eine zufällige Richtung verbiegt, stabilisiere ich diese „verbogene Fläche“ mit verschiedenen Materialien. Um die ganze Konstruktion schlussendlich optimal an eine flache Wand hängen zu können, befestige ich an der Rückseite eine flache Fläche. Damit sich das ganze Relief nach der Behandlung mit verschiedenen imprägnierenden und stabilisierenden Materialien durch den Trocknungsprozess nicht weiter verzog, musste ich die Rückseite auf einer flachen und soliden Sperrholzplatte festschrauben. Unversehens verwickelte ich mich bei der Arbeit an dieser Reliefkonstruktion in die paradoxe Situation, quasi kontrolliert eine „verbogene“ Fläche herzustellen, jedoch gleichzeitig ihrer offensichtlichen Dendenz, sich eigenständig zu verbiegen, willentlich entgegen zu wirken.
Pro Fläche eine Farbe
Die Verkehrsignale sprechen mich mit ihren strikten Farbflächen an. Denn reduzierter aufs Wesentliche, schlichter und einfacher als Verkehrsignale geht kaum. Im Sinne von „Zurück zu den Grundlagen“, organisiere ich die wenigen Farben nach einer mir selbst auferlegten Regel: Pro Fläche eine Farbe, bedeutet für mich: Eine Fläche dadurch zu begrenzen, in dem sie nur einen Farbton trägt.
Motiv
Die verschiedenen gemalten schmalen und breiten Streifen weisen alle scharfe Ecken und Kanten auf. Ich wage die Behauptung, dass es mit keinem Material möglich ist, in der praktischen Anwendung perfekte Ecken und Kanten zu realisieren. Denn die noch so spitzen Ecken und die noch so scharfen Kanten würden wir bei näherer Betrachtung, zum Beispiel unter mikroskopischer Ansicht, immer als Rundung sehen. Aus dieser Überlegung ergibt sich für mich, alle Ecken und Kanten des Reliefs als Bildgrund klar erkennbar rund zu gestalten. Das heisst, eine scheinbar vernachlässigbare Tatsache nicht möglichst unsichtbar zu machen, sondern im Gegenteil, deutlich hervor zu heben. Eine weitere Überlegung ist die, dass alle Motive im gesamten Relief auf die gleiche Art und Weise gestaltet werden. Denn schliesslich haben wir in einer Brahms-Sinfonie nicht plötzlich Motive von Stravinsky und in einer Mozart-Oper nicht Motive von Wagner.
Licht und Schatten
Wenn wir das Zeichen „Ende Haupstrasse“ als Lichtprojektion sehen wollen, dann schlage ich vor, Gelb als das direkte Sonnenlicht, Weiss als indirektes Licht, und die schwarzen Streifen als Schatten zu deuten.
Recycling
Der Bildgrund des Reliefs wurde aus altem Verpackungsmaterial, das heisst aus saugfähigem Karton zusammengeklebt. Im Sinn von Wiederverwendung recycle ich also nicht nur ein Bild im künstlerischen Sinn, sondern auch das Material. Denn bei der unüberschaubaren Anzahl von Bildern und auch massenhaft qualitativ hochstehender Werke, die alle bereits geschaffen wurden, ist es ja eigentlich nicht nötig, neue Bilder zu produzieren. Mit Recycling assoziiert man heutzutage in erster Linie eine umweltfreundliche Produktionsweise. Nur ist es mit dem Recycling mindestens im vorliegenden Fall so eine Sache. Denn, damit das Ganze überhaupt funktioniert, muss ich noch zusätzlich einige neue Materialien anfügen, wie zum Beispiel Strukturpaste als Festiger, Faserpaste als Füllmaterial, Leime, Grundierungsmittel, Sperrholz, Acryl- und Ölfarbe. Die ganze Konstruktion besteht also nur höchstens zur Hälfte aus recyceltem Material. Und was heisst jetzt eigentlich recycelt? Klar, das Material konnte für einen neuen Zweck wiederverwendet werden. Aber es wird trotzdem eines Tages zu Abfall, genau so, wie das zusätzlich angefügte Material. Nicht nur, dass wir heutztage im Sinne einer Verschmutzung, milliardenfach Bilder produzieren und von Bildern überschwemmt werden, sondern dass auch dieses Relief, bei nicht sachgemässer Entsorgung irgendwann einmal, weit draussen im Ozean in einer riesigen schwimmenden Müllhalde hängen bleibt.
Gitter
Wenn wir ein Bild als Fenster betrachten, dann sehe ich in diesem Bild eigentlich eine Gitterstruktur. Ein Fenster mit Gitter erinnert mich an ein Gefängnis.
Flache, zweidimensionale Bilder haben oft etwas ausgesprochen „Fensterhaftes“, Starres, Eingefangenes, Eingesperrtes, Einengendes. Mir scheint, es geht ja eigentlich nicht um das Bild, um die aufgeklebte Farbe und letztlich auch nicht, was sich im Bild befindet. Sondern wie bei den Verkehrsschildern, um das was drum herum ist, auf was es Bezug nimmt, den Kontext, was aussen ist. Wirklich ist die Welt „da draussen“, nicht das Bild. In diesem Sinn nenne ich es ein „Nicht-Bild“.
Ich habe den Eindruck, dass wir uns in unserem Alltag, je länger je mehr in einem schier unendlichen Spiegelsaal von zweidimensionalen Bildern orientieren. Daher stellt sich für mich die Frage: Gibt es eine Möglichkeit, die „Hauptstrasse der zweidimensionalen Bilder“ verlassen zu können? „Ende Hauptstrasse“ also als Wunsch, eine Art von Darstellung zu finden, die dem Zwang von zweidimensional und flach nicht mehr unterworfen ist. Was also heissen würde, die Jahrhunderte alte, wenn nicht sogar Jahrtausende alte „Hauptstrasse“ der zweidimensionalen Bilder verlassen zu können.
Zu Schwer
Gute Arbeiten haben immer etwas Leichtes. Qualität ist immer leicht.
Es ist durchaus möglich, dieses Relief mittels starker Metallhaken an die Wand zu hängen. Als eine gewichtsmässig leichte Konstruktion kann diese „Ende Haptstrasse“ jedoch nicht bezeichnet werden. Gut möglich, dass es mir gelingt, eine weitere, aber wesentlich leichtere „Ende Hauptstrasse“ zu konstruieren.
Auch einen weiteren, wesentlich „leichteren“ Text zu formulieren.
Text: Andreas Gerber